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OPERATION "BULLI-RETTUNG"

(Oder: Warum meine Crocs jetzt archäologische Funde sind)


Es sollte eigentlich ein schöner Spaziergang werden.


So einer, bei dem man denkt: „Ach guck, wir machen heute mal was Nettes, eine kleine Familienidylle, Hund wirft sich ins Laub, wir werfen Frisbee, Harmonie, bla bla.“


Tessa fand die Idee auch großartig, allerdings hatte sie, wie immer, ihre ganz eigene Interpretation von „schöner Spaziergang“. Wir waren also an der Ohm unterwegs, diesem netten kleinen Flüsschen. Entspannt, gut gelaunt und mit der Frisbee bewaffnet.


Flüsschen klingt an dieser Stelle harmlos, ich weiß, ist es aber nur, wenn man keinen Bullterrier dabei hat. Tessa liebt nämlich Wasser.


Also nicht so „mag ich“. Sondern „Wasser ist ihr Happy Place, egal, ob sie schwimmen kann.“


Weil sie schwimmt, nun ja, wie jemand, der die Theorie dazu kennt, aber die Praxis eher schwierig findet. Eine gefährliche Kombination, vor allem, wenn ich auch beteiligt bin. Denn wenn bei uns etwas schiefgehen kann, dann macht es das mit Risikoaufschlag.


Mein Mann ist auch dabei. Optimistisch. Gut gelaunt. Ahnt nichts.


Ich greife zur Frisbee. Und allein das hätte uns eine Warnung sein müssen. Denn ich werfe Frisbees ungefähr so gut wie ein betrunkener Pinguin Dartpfeile.


Ich schmeiß das Ding also. Also ich denke, ich schmeiß das Ding.


Praktisch gesehen entgleitet es meinem Leben, driftet ab wie ein rebellischer Teenager und landet mit einer Eleganz, die ich definitiv nicht beabsichtigt habe, mitten in der tiefsten Stelle der Ohm.


Ich denke: „Ja gut. Acht Euro. Ist halt weg.“ Und in dem Moment höre ich es.


Tessa knottert. Und wer keinen Bullterrier hat, denkt jetzt wahrscheinlich an irgendwas Harmloses wie „grummeln“. Bullterrier-Leute dagegen wissen: Nein. Das ist eine Tonkatastrophe.


Eine Mischung aus: hysterischem Gegacker, keifendem Schreien, kreischender Erwartungshaltung und einem undefinierbaren Urlaut, den wahrscheinlich nur prähistorische Reptilien korrekt zuordnen könnten.


Ein Sound, der dir sagt: „ICH HAB EINE IDEE UND SIE IST SCHLECHT.“


Nervig? Oh ja. Aber auch absolut typisch.


PLATSCH.


Da war sie. Mittendrin. Und ab dem Moment ging’s bergab.


Denn dieser Bach, der hatte hinterhältige Ufer. Unterspült. Wegrutschig. So ein Gelände, bei dem man denkt: „Hier ist noch keiner wieder rausgekommen, ohne entweder zu sterben oder wenigstens seine Würde zu verlieren.“


Sie dreht ihre Runden. Immer dieselbe Route. Als hätte jemand im Hundehirn eine Modelleisenbahn installiert.


Ich dachte mir: „Gut, sie geht nicht unter. Das ist schon mal solide.“


Aber natürlich kommt sie da niemals allein raus.


Ein Bullterrier hat viele Talente, Selbstrettung aus unterspülten Bachufern ist keins davon.


Also los! Rein da! Wer sonst, wenn nicht ich? Bei uns läuft sowas ja nicht nach Plan, sondern nach Reflex.


Ich spring in die Ohm. Nicht elegant. Nicht geplant. Einfach rein. Hinter Tessa her.


Ich schwimm zu ihr, bring sie ans Ufer und drück ihren Bulliarsch die Böschung hoch, bis mein Mann sie endlich packen kann und sie an Land zieht.


Währenddessen versinke ich in diesem verdammten Ufuerschlick, als hätte ich Eintritt für den Sumpf bezahlt.


Ich zieh also meine Füße aus dem Morast. Mit Gewalt. Mit Geräusch. Mit der Eleganz eines geborenen Notfalls.


Meine Lieblings-Crocs? Die bleiben drin. Einfach so.


Zukünftige Archäologen werden sich in tausend Jahren fragen, was zur Hölle damals los war. Vielleicht vermuten sie ein Ritual. Oder einen Unfall. Oder eine Kultur, die ihre Fußmode geopfert hat. Wer weiß? Ich wäre zu gerne dabei, nur um die doofen Gesichter zu sehen.


Mein Mann zieht mich auch noch hoch, guckt mich an: nass, matschig, genervt, aber glücklich, weil das Bullitier lebt und fragt dann völlig ernst:


„Warum hast du die Frisbee nicht mitgebracht, wenn du eh schon drin warst?“


Ich bitte Dich! Ich rette hier Leben. Und er fragt nach Plastik?


Ich stehe da wie ein durchnässter Gartenzwerg mit Haltungsschaden, aber er lässt es sich nicht nehmen und setzt noch einen drauf:


„So steigst Du nicht ins Auto!“


Man muss wissen: Er liebt unser Auto. Ich glaube, wenn das Auto sprechen könnte, würden die beiden gemeinsam Urlaub buchen.


Also denk ich: Gut. Dann gehen wir halt weiter Gassi, bis ich trocken bin.


Noch´n Stündchen Luft, ein bisschen laufen, alles easy.


Und in dem Moment macht der Himmel sowas wie: "Alexa, Regendusche: Stufe VERNICHTUNG.“


Von null auf Aquarium in zwei Sekunden.


Trocknen war gestrichen. Ich bin dann barfuß zurück zum Auto gelaufen. Durch den strömenden Regen. mit der Aura einer Frau, die inzwischen alles akzeptiert hat, inklusive ihres persönlichen Feuchtbiotops.


Beweisfoto? Unscharf. Aber absolut authentisch. Genauso war’s. Vielleicht sogar schlimmer.

 
 
 

2 Kommentare

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Marina Fortunat
19. Nov.
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

Ich kann nicht mehr...und jede einzelnes Wort hab ich mir vorgestellt...ich hab mich fast eingenässt 🤣🤣🤣🤣

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Gast
19. Nov.
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

Herrlich. Ein Gassigang mit Bulli wird niemals langweilig. 😂

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